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Pressemitteilung

Rede zum Thema Krankenhausverkauf im Kreistag vom 04.05.09

Sehr geehrte Frau Landrätin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

gestatten Sie mir zunächst eine Vorbemerkung: Meine Ausführungen im Namen der ödp-Fraktion beziehen sich auf die wirtschaftliche Situation der Krankenhäuser im Landkreis. Gegenstand meiner Rede ist nicht die Arbeit des Personals, welche ich mit lobenswert, herzlich, engagiert und hochwertig hier dennoch kurz würdigen möchte.

 

 

Ein Sprichwort sagt: "Wer einen Fehler nicht korrigiert, begeht einen zweiten" und bei der Entscheidung, welche wir heute zu treffen haben, geht es genau darum: Korrigieren wir einen Fehler oder machen wir einen zweiten Fehler? Die Frage, die sich hier natürlich aufdrängt ist: Was waren die Fehler in der Vergangenheit? Und es stellt sich natürlich auch die Frage nach der Verantwortung, wenn die Kreiskrankenhäuser so gut wie pleite sind und so etwas wichtiges wie die stationäre, medizinische Versorgung und damit das Herzstück des Landkreises verkauft werden sollen, ja angeblich müssen: Zunächst zu den Fehlern:

 

 

Natürlich haben sich die bundespolitischen Rahmenbedingungen gravierend verändert, doch diese Vorgaben gelten bundesweit und nicht nur an Rott und Inn. Während andere Landkreise ihre Hausaufgaben machten, siehe auch Umfrage der PNP bei den Nachbarlandkreisen, hat der Landkreis v. a. in den letzten Jahren seine Hausaufgaben nicht gemacht. Das ist schade, weil früher unter Ihrer Leitung Frau Mayer auch schon schwierige, aber wichtige und richtige Strukturänderungen vorgenommen wurden. (Stichwort: Geburtshilfe)

 

 

Die Fehler bzw. die nicht gemachten Hausaufgaben liegen bei einer sachlichen Analyse klar auf der Hand: Mehrere Gutachten und Stellungnahmen attestierten uns ein Strukturproblem. Letztmals war dies im Jahr 2007 der Fall, als ein von der Arbeitnehmerseite in Auftrag gegebene Gutachten zu der Erkenntnis gelang: Eine Verlängerung des Notlagentarifvertrages ist gerade bei dem vorgesehenen Konzept mit der Europaklinik Simbach/Braunau sinnlos, weil dies kein tragfähiges, wirtschaftliches Konzept ist und große Defizite absehbar seien. Trotzdem ging die Mehrheit des Kreistages – jeglicher menschlicher Vernunft widersprechend – genau diesen Weg. Frau Mayer, es war vor allem auch ihr Weg. Und es war ein Weg, der die Krankenhäuser wirtschaftlich und finanziell an die Wand gefahren hat. Dass das besagte GfS-Gutachten nicht im Kreistag diskutiert wurde, das liegt vor allem daran, dass sie sich mit Füßen und Händen gewehrt haben. Noch heute kennen mehrere Kreisräte dieses Gutachten nicht. Zudem haben sie eine derartige Absenkung der Kapitalrücklage der Kreiskrankenhäuser in Kauf genommen, dass wir jetzt im Prinzip Insolvenz anmelden müssen, wenn wir nicht deutliche Betriebskostenzuschüsse leisten. Ende 2003 hatten wir bei den Kreiskrankenhäusern noch eine Kapitalrücklage von über 19 Mio. Euro, Ende 2008 waren es nur noch 9,8 Mio. Euro. Bereits vor ein, zwei Jahren habe ich mehrmals und auch hier im Kreistag darauf hingewiesen, dass der Landkreis eigentlich deutlich mehr Zuschüsse an die Krankenhäuser leisten müsse. Sie verneinten dies, sie lehnten dies ab. Auch eine entsprechende Nachfrage von Kreisrat Lichtenecker im Kreisausschuss beantworteten sie dies mit "Einzelmeinung Rettenbecks und Kaffeesatzleserei.

 

 

Und ich wiederhole hier nochmals das, was ich auch schon im Aufsichtsrat im November letzten Jahres sagte: Wir machen eine stümperhafte Aufsichtsratsarbeit. Es reicht nicht aus zu sagen, dieses Haus ist wirtschaftlich gut, das andere ist wirtschaftlich schlecht. Wir müssen uns schon die Arbeit machen, die einzelnen Abteilungen anzusehen. Mehrfach forderte ich eine abteilungsbezogene Deckungsbeitragsrechnung, welche hier schnell Klarheit bringen würde. Ich habe auch im November mit dem Hinweis, dass uns die Krankenhäuser in den finanziellen Ruin führen, die Wirtschaftspläne der Kreiskrankenhäuser abgelehnt.

 

 

Das ist zwar Vergangenheit, aber wer die Vergangenheit nicht kennt, wird die Zukunft nicht gewinnen können. Aber nun zur Zukunft, welche es endlich gilt zu gestalten:

 

 

Es gibt prinzipiell drei Möglichkeiten, wie wir uns für die Zukunft der Kreiskrankenhäuser entscheiden:

 

 

1. Schrecken ohne Ende

 

2. Ende mit Schrecken

 

3. Neuanfang/Neubeginn

 

Konkret formuliert bedeutet ein "Schrecken ohne Ende" ein weiter so wie bisher, ein "Ende mit Schrecken" entspricht einem Verkauf der Krankenhäuser und ein "Neuanfang/Neubeginn" würde bedeuten, die Krankenhäuser in Bürgerhand weiterzuführen, aber eben auch mit Sachverstand.

 

 

Auf die erste Alternative brauche ich nicht näher einzugehen, sie erübrigt sich, denn diese Variante kommt jetzt nicht mehr in Frage, steht heute nicht zur Debatte – darin sind wir vermutlich einstimmig einer Meinung. Kommen wir also zur nächsten Möglichkeit, zum Verkauf der Krankenhäuser: Natürlich geht es heute noch nicht um den endgültigen Verkauf der Krankenhäuser, aber es geht um eine entscheidende Weichenstellung, um eine Vorentscheidung: Wenn wir mittels eines Bieterverfahrens – was nichts anderes als eine Form der Ausschreibung ist – den Verkauf der Krankenhäuser auf den Weg bringen, dann setzen wir einen Prozess in Gang, den wir in einem halben Jahr kaum mehr stoppen können: Wir stehen – wie vorher beschrieben – mit dem Rücken zur Wand. Jetzt wieder ein halbes Jahr sinnlos zu verlieren, wieder teure Beratungs- und Rechtsanwaltskosten auszugeben um dann zu sagen, wir überlegen es uns doch wieder anders, das können wir uns einfach nicht mehr leisten. Es ist schlichtweg eine politische Naivität zu sagen, wir prüfen das jetzt nur einmal. Meiner Meinung nach ist der Verkauf der Krankenhäuser aus Sicht des Landkreises gesehen, kein Neuanfang, es ist ein Ende mit Schrecken. Aber lassen Sie uns nicht darüber diskutieren und streiten, sondern um die guten Gründe, die gegen einen Verkauf der Häuser sprechen:

 

 

Die Daseinsvorsorge ist die ureigene Aufgabe des Staates, ja sie hat eine konstituierende Wirkung: Der Landkreis ist die Gemeinschaft aller Bürger, die in diesem Landkreis leben. Und der Landkreis braucht Gemeinschaftsgüter, dass er existieren kann. Wenn sich jetzt die gewählten Vertreter nicht mehr einigen können, so etwas wichtiges wie die Krankenhäuser wirtschaftlich solide zu betreiben und er sie deswegen verkaufen will, verkauft der Landkreis nicht nur das Herzstück des Landkreises, sondern er entzieht damit dieser Gemeinschaft eine wesentliche Basis. Und während der Landkreis dem Gemeinwohl verpflichtet ist, strebt ein privater Betreiber nach Profitorientierung. Möchten Sie wirklich die stationäre, medizinische Versorgung der Logik des Kapitals und des Profites unterwerfen? Möchten Sie wirklich eine Kommerzialisierung im Krankenhausbereich? Ein privater Klinikkonzern will Gewinne, ein oder zwei Millionen vielleicht, für den Landkreis ist es dagegen keine Schande, für eine menschliche, natürliche Gesundheitsversorgung ein oder zwei Millionen Euro Betriebskostenzuschüsse zu leisten. Wo kommen aber die 3 oder 4 Mio. Euro Differenz her? Die fallen doch nicht vom Himmel, sie kommen aus dem täglichen Geschäft des Krankenhauses, sie kommen von den Patienten und des Personals.

 

 

Es gibt vom Deutschen Städtetag eine äußerst lesenswerte Broschüre mit dem Titel "Kommunale Krankenhäuser sind zukunftsfähig – Ein Vergleich mit privaten Kliniken". Diese Broschüre bezieht sich auf eine Studie, die von der Uni Bremen erstellt worden ist. Ziel der Studie war es, Veränderungen in der Versorgungsqualität zwischen 2002 und 2005 durch die Einführung des neuen DRG-Systems festzustellen.

 

 

So kommt die Studie Zitat "zu bemerkenswerten Ergebnissen, die durchgängig eine signifikante Verschlechterung in der Versorgungsqualität in privaten Kliniken festhalten und auch eine größere Effizienz nicht erkennen lassen"

 

Weiter weist die Studie nach, dass das Personal in öffentlichen Einrichtungen in fast allen Bereichen ein höheres Gehalt als in privaten Kliniken erhält. Nur Ärzte erhalten in privaten Kliniken ein etwas höheres Gehalt. Dafür kommen auf eine ärztliche Vollkraft in privaten Häusern durchschnittlich 182 Fälle, in kommunalen Häusern sind es dagegen nur 130 Fälle.

 

 

Schlussfolgerung der Studie: "Die geringeren Kosten in privaten Krankenhäusern sind also nicht (…) durch eine effizientere Versorgungsstruktur bedingt. Verantwortlich sind auch die geringeren Personalkosten und die geringere Anzahl schwerer und teurer Fälle"

 

 

Bei Fragen wie

 

-Personal kümmert sich um Patienten

 

- Im Krankenhaus spielen Geld und Kosten eine entscheidende Rolle

 

- Im Krankenhaus wird man mit Rücksicht behandelt

 

schneiden die Privaten am schlechtesten ab.

 

Bei der ganzen Frage, ob Krankenhäuser verkauft werden sollen oder nicht gilt es auch noch folgendes zu berücksichtigen:

 

Der Sicherstellungsauftrag der stationären, medizinischen Versorgung bleibt in Endeffekt immer beim Landkreis. Geht ein privater Anbieter beispielsweise in Insolvenz, muss wieder der Landkreis für die stationäre, medizinische Versorgung sorgen, das kann dann richtig teuer werden. Außerdem ist es gerade in der heutigen dynamischen Landschaft der Marktwirtschaft nicht sicher, wer bei einem Klinikkonzern, dem wir im Herbst dieses Jahres unsere Krankenhäuser verkaufen, in ein paar Jahren das sagen hat. Wenn sich dort irgend ein ausländischer Investor einkauft – wir können da nichts mehr machen.

 

 

Wollen wir also wirklich trotz dieser ernst zu nehmenden Bedenken, die Gesundheit zur Ware machen, die allein nach Markt- und Wettbewerbskriterien organisiert wird? Wollen wir dies alles in Kauf nehmen, nur weil wir unserer Aufgabe und Verantwortung als gewählte Mandatsträger nicht nachkommen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bürger uns gewählt haben, um unsere Unfähigkeit unter Beweis zu stellen. Wir haben in den letzten Jahren während der Sanierungsphase der Kreiskrankenhäuser 84 Mio. Euro öffentliche Gelder investiert, Gelder der Bürgerinnen und Bürger. Sollen wir wirklich so kurz vor dem Abschluss dieser Sanierungsphase die Krankenhäuser veräußern? Wenn wir das tun, passiert genau das, was das lateinische Wort Privatisierung bedeutet, nämlich Beraubung. Lassen Sie uns deshalb heute nicht den Weg eines schrecklichen Endes gehen, lassen Sie uns heute nicht den Weg des Verkaufs einschlagen, sondern den Weg des Neuanfangs und somit eines Verbleibs der Krankenhäuser in kommunaler Hand, aber mit Sachverstand.

 

 

Wenn es für andere Landkreises möglich ist, die Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft weiterzuführen, muss es auch für uns möglich sein. Alles andere empfinde ich als Schande für den Landkreis!

 

 

Wie könnte der Weg des Neuanfangs aussehen? Unsere Vorschläge dazu liegen auf den Tisch. Bereits im Februar haben wir dazu Anträge eingereicht, der auch in ihren Unterlagen unter Punkt 2.5 zu finden ist. Um die Defizite der Vergangenheit aufzuarbeiten, wird es unvermeidlich sein, das bereits angesprochene Gutachten der GfS hier im Kreistag vorzustellen und zu diskutieren. Außerdem muss endlich Schluss sein damit, dass wir uns als Kreispolitiker allein anmaßen, fertige Konzepte ausarbeiten zu können. Wir werden den Sachverstand von Experten – ich nenne sie hier Krankenhausmanager – benötigen und Vorschläge von ihnen einholen müssen. Deshalb wollen wir auch, dass die Geschäftsführung endlich tragfähige Konzepte für die Zukunft unserer Häuser vorlegt, das müsste doch auch ihre ureigene Aufgabe sein. Wir wollen aber auch, dass die Geschäftsführung neu ausgeschrieben wird. Wir sollten hier die positiven Seiten des Wettbewerbs nutzen und uns Ideen, Konzepte, Vorschläge für die Zukunft unserer Häuser auf den Tisch legen zu lassen um uns dann in politischer Verantwortung für das Beste Konzept zu entscheiden. Und wir müssen diesen Krankenhausmanager dann auch arbeiten lassen, wozu wir uns aber ja ohnehin gezwungen haben, weil wir uns vor der Anstellung des künftigen Geschäftsführers für sein entsprechendes Konzept entschieden haben.

 

 

Ich möchte auch kein Geheimnis daraus machen, dass wir einen unabhängigen Manager/Geschäftsführer bevorzugen, der nur in unseren Diensten steht und nicht gleichzeitig einer Managementgesellschaft verpflichtet ist.

 

 

Auch wenn es – wie gesagt vermessen wäre, ein fertiges Konzept zu entwerfen – möchte ich dennoch ein paar mögliche Eckpfeiler für die künftige Führung und Struktur unserer Krankenhäuser benennen:

 

 

1. Wir müssen künftig vor allem im Aufsichtsrat, aber auch im Kreistag eine transparentere Politik machen, wir müssen die Bürger mitnehmen, wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern alle Informationen geben. Die vielbeklagte Kirchturmpolitik kommt gerade ja auch daher, weil bisher zu wenig Informationen über notwendige Umstrukturierungen nach außen weiter gegeben wurden.

 

 

2. Die Arbeit im Aufsichtsrat muss professioneller werden, die Vorlage einer Deckungsbeitragsrechnung muss selbstverständliche Pflicht werden.

 

 

3. Wir müssen aber auch bereit sein, wirtschaftlich unausweichliche Strukturänderungen vorzunehmen, um die Arbeitsplätze zu erhalten; beispielsweise wird es mit großer Wahrscheinlichkeit notwendig sein, künftig nur noch zwei, statt bisher drei innere Abteilungen im Landkreis vorzuhalten.

 

 

4. Die Kooperationen mit anderen Häusern, beispielsweise die Bildung von Einkaufsgemeinschaften für Sachleistungen müssen wir nutzen. Kooperationen der Kooperation willen, die nur unwirtschaftliche Strukturen zementieren – wie dies bisher bei der sog. Europaklinik der Fall ist, können wir uns aber nicht mehr leisten. Trotzdem kann und wird eine weitere Zusammenarbeit mit Braunau sinnvoll sein, um die optimale Gesundheitsversorgung im südlichen Landkreis zu gewährleisten.

 

 

5. Das GfS-Gutachten machte u. a. auch darauf aufmerksam, dass wir im Landkreis vermutlich Angebotslücken in unserer Angebotsstruktur haben. Möglicherweise frei werdende Kapazitäten sind mit diesen Angebotslücken aufzufüllen.

 

 

Natürlich sind da auch einige Zumutungen dabei, den Lohn, den wir, den vor allem die Bürgerinnen und Bürger als Patienten und das Personal erhalten, ist es aber allemal wert, die Bereitschaft für diese Schritte aufzubringen: Eine stationäre, medizinische Versorgung, die um 3 oder 4 Millionen Euro menschlicher und natürlicher ist, als wenn dies ein privater Klinikkonzern macht. Lasst uns deshalb diesen Weg gehen. Die Patienten und das Personal haben es verdient!

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