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Pressemitteilung

Rettenbeck: Deutschland muss friedenstüchtig werden, nicht kriegstüchtig

Kritik an deutscher Außenpolitik - Weihnachtsrede im Kreistag

Sehr geehrter Herr Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Friedrich Spee von Langenfeld, der mutige Kämpfer gegen die Hexenverfolgung, schrieb 1622 das Lied: „O Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf. Reiß ab vom Himmel Tor und Tür, reiß ab, wo Schloss und Riegel für“.

Auch wenn dieses Lied im Advent in den Kirchen in andächtiger und frommer Erwartung auf die Geburt Jesu gesungen wird, so wollte Friedrich Spee mit diesem Lied ganz und gar nichts Andächtiges und Frommes zum Ausdruck bringen: In dem Lied steckt seine Verzweiflung, auch seine Wut und Ohnmacht gegen das gottlose, ungerechte und unmenschliche Tun der Menschen und hält den Mächtigen und ihren vielen Unterstützern einen Spiegel vor, indem er ihre Unmenschlichkeit, Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit zum Ausdruck bringen will – verbunden mit der Hoffnung, dass Gott einschreitet und dem verwerflichen Tun ein Ende bereitet.

Womit wir damit direkt bei der größten Unmenschlichkeit, Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit von heute wären: Den vielen, viel zu vielen Kriegen im 21. Jahrhundert, dem Krieg im Irak und Afghanistan, dem Krieg im Jemen und aktuell u. a. dem Krieg in der Ukraine und in Gaza.

Auch hier möchte man angesichts des Leides vieler Zivilisten, durch das Leiden vieler Frauen und Kinder, insbesondere durch den Überfall der Hamas – und noch mehr durch die brutale Kriegsführung der Israelis im Gazastreifen mit inzwischen 5000 toten Kindern einstimmen in die verzweifelten Bitten Friedrich von Spees „Oh Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf“. Das wird aber nicht reichen, denn das Geschehen hier auf der Erde ist das Ergebnis vom Handeln der Menschen hier auf der Erde.

Der Philosoph Immanuel Kant weist in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden“ auf etwas sehr, sehr Wichtiges hin: Frieden ist kein natürlicher Zustand, sondern er muss gestiftet werden – Frieden stiften genau das geschah in der Vergangenheit nicht und geschieht leider auch heute nicht. Wir müssen „kriegstüchtig“ werden, sagt unser Verteidigungsminister – das letzte Mal, als Deutschland kriegstüchtig war – ging das für die Menschheit fürchterlich aus! Nein, wir müssen nicht kriegstüchtig werden, wir müssen friedenstüchtig werden. Zugleich zeigen die sparsamen kritischen Reaktionen auf die Äußerung von Pistorius, wie sehr sich schon unser Denken in diese Richtung verschoben hat. Daran hat gerade auch eine ehemalige Friedenspartei maßgeblichen Anteil: Die Grünen. Wenn Frau Baerbock zum Gaza-Krieg sagt: „Es hilft nicht, einfach aus dem Impuls heraus zu sagen, die Waffen müssen schweigen, denn es ist nicht Aufgabe von Politik“ dann ist das nicht nur erbärmlich und eine Schande, sondern für eine Außenministerin Ausdruck fehlender Qualifikation! Statt oberste Friedenstifterin zu sein hat sich Baerbock mehrfach gegen einen sofortigen Waffenstillstand ausgesprochen. Wie viele Kinder sollen denn noch sterben?

Der 1979 im israelischen Haifa geborene Philosoph Omri Boehm hat vor kurzem auf etwas ganz Entscheidendes hingewiesen: Er sagte: Die einzige Möglichkeit, Leben der Menschen auf der einen Seite als unendlich wichtig zu begreifen besteht darin, Leben der Menschen auf der anderen Seite als gleichermaßen unendlich wichtig anzusehen. Das hat Putin nicht begriffen, das haben viele amerikanische Präsidenten aber auch nicht begriffen und das begreift heute auch kein Selenskij, keine Hamas, kein Netanjahu! Und offensichtlich begreifen das heute auch so gut wie alle deutschen Spitzenpolitiker, allen voran Annalena Baerbock nicht.

Stattdessen befeuert auch Deutschland munter mit Rekordausgaben des Verteidigungshaushaltes von rund 90 Mrd. Euro das Säbelrasseln. Auf der anderen Seite fehlt es in Deutschland an allen Ecken und Enden: Kliniken und deren Personal am Rande der Erschöpfung, marode Infrastruktur, andauernde starke Belastungen durch Flüchtlinge, kaputte Brücken, desolates Schienennetz, fehlendes Personal für Schulen und Kitas und natürlich der überfällige Umbau unserer Energieversorgung sowie ein naturverträglicher und ebenfalls überfälliger Transformationsprozess unserer Wirtschaft. Für all das sind übrigens nicht die Ampel-Parteien verantwortlich, sondern ist großteils das Erbe langer Herrschaft der CSU und CDU in Deutschland! Doch durch Kriegstüchtigkeit, Säbelrasseln und einer Politik, die Inflation fördert, verlieren die Ampel-Parteien, verliert Deutschland immer mehr den politischen Gestaltungsspielraum für ein menschliches und ökologisches Land.

Dies alles ist nicht nur große Politik – dies trifft auch uns in den Kommunen und im Landkreis und das trifft auch alle Menschen in unseren Landkreis: Stichwort Kliniken und mehr Menschlichkeit. Stichwort Schulen: Berufsschulneubau und Sanierungen von Schulen in den Gemeinden mit immer höheren Anforderungen und Kosten – vor allem auch laufende Kosten. Stichwort ÖPNV: Fehlende Attraktivität und oft zu teuer. Stichwort Ökolandwirtschaft: Gedämpfte Nachfrage durch Inflation. Stichwort A94: Kein langer Tunnel wegen fehlendem Geld? Stichwort Breitbandausbau: Gewinne schieben die Konzerne ein, für fehlende Wirtschaftlichkeit muss der Steuerzahler blechen! Stichwort Flüchtlinge: Fluchtursachen belasten und überfordern Flüchtlinge wie aufnehmende Kommunen gleichermaßen!

„Die Zukunft hängt davon ab, was wir heute tun“ sagte Mahatma Gandhi. Offensichtlich haben wir in der Vergangenheit viele Fehler gemacht, sonst hätten wir heute eine gerechtere, friedlichere und lebensfreundlichere Welt. Doch wie wird die Welt morgen, wie wird unsere Zukunft aussehen, mit unserem Tun von heute? Bleibt nur das gen Himmel flehende „Oh Heiland reiß die Himmel auf, herab, herab vom Himmel lauf“? Nein, wir brauchen das, was auch Friedrich Spee auszeichnete: Hoffnung und tatenvolles Wirken für Menschlichkeit und Gerechtigkeit! Dies wünsche ich allen Menschen in unserem Landkreis, das wünsche ich Ihnen Herr Landrat, das wünsche ich allen Kolleginnen und Kollegen, denn: Dort wo keine Hoffnung mehr ist, wird die Welt zur Hölle: „Lasst, die ihr eingeht, alle Hoffnung fahren“ schreibt Dante in seiner Göttlichen Komödie an der Pforte zur Hölle. Hoffnung und entsprechende Taten aber lässt die Welt nicht zum Teufel gehen. Frohe Weihnachten und einen guten, gesunden Start in das Neue Jahr im Namen der ÖDP-Kreistagsfraktion.

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